„Sell in May and go away“ ist ein bekanntes Börsen-Sprichwort, das Anlegern empfiehlt, im Mai ihre Aktien zu verkaufen und erst im Herbst, genauer gesagt im September, wieder in den Markt einzusteigen.
Diese Strategie basiert auf der Annahme, dass die Aktienmärkte in den Sommermonaten tendenziell schwächer abschneiden als in den restlichen Monaten des Jahres. Aber wie genau ist dieses Sprichwort entstanden und hat es heute noch Relevanz?
Doch woher stammt der Ausdruck und stimmt er auch? Hier gibt’s die Antwort.
Herkunft des Sprichworts
Der Ursprung des Sprichworts lässt sich auf eine alte englische Redensart zurückführen: „Sell in May and go away, but remember to come back on St. Legers Day.“
St. Leger’s Day bezieht sich auf das St. Leger Stakes, ein berühmtes Pferderennen in England, das im September stattfindet. Traditionell nutzten wohlhabende Londoner den Sommer für soziale Aktivitäten und zogen sich während dieser Zeit aus dem Markt zurück, um ihre Investitionen nicht ständig überwachen zu müssen.
Im Laufe der Zeit hat sich diese Praxis zu einer Art saisonaler Handelsstrategie entwickelt. Untersuchungen und historische Daten haben gezeigt, dass die Sommermonate oft weniger renditestark sind, was möglicherweise auf geringere Handelsvolumina und erhöhte Marktvolatilität während dieser Zeit zurückzuführen ist.
Da heute nur noch den wenigsten Menschen der St. Legers Day bekannt sein dürfte, hat sich über die letzten Jahrzehnte auch das Börsensprichwort verändert und man kennt es heute als „Sell in May and go away, but remember to come back in September.“ – Reimt sich auch besser.
Statistische Grundlage und historische Performance
Eine Reihe von Studien und Analysen hat versucht, die Gültigkeit dieser Strategie zu überprüfen. Historische Daten zeigen, dass die Aktienmärkte in den Monaten November bis April tendenziell bessere Renditen erzielen als in den Monaten Mai bis Oktober. Diese Beobachtung wird oft als „Halloween-Effekt“ bezeichnet. Beispielsweise hat der S&P 500 Index in den letzten Jahrzehnten im Zeitraum von November bis April im Durchschnitt deutlich höhere Renditen erzielt als von Mai bis Oktober.
Einige Studien legen nahe, dass verschiedene Faktoren, wie geringere Handelsaktivitäten und eine saisonale Verschiebung der Anlegerstimmung, zu diesem Muster beitragen könnten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass vergangene Performance keine Garantie für zukünftige Ergebnisse ist.
Kritische Betrachtung und aktuelle Relevanz
Trotz der historischen Daten, die eine gewisse Unterstützung für die „Sell in May and go away“-Strategie bieten, gibt es auch viele Kritiker. Die Finanzmärkte sind komplex und von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter makroökonomische Entwicklungen, geopolitische Ereignisse und technologische Innovationen. Diese Faktoren machen es schwierig, allein auf Basis eines saisonalen Musters zuverlässige Handelsentscheidungen zu treffen.
Technologischer Fortschritt und moderne Handelspraktiken
Mit dem Aufkommen des algorithmischen Handels und der zunehmenden Nutzung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen im Finanzwesen hat sich die Dynamik der Märkte verändert. Diese Technologien können Marktanomalien und saisonale Trends schneller erkennen und ausnutzen, wodurch solche Muster möglicherweise weniger vorhersehbar werden.
Globale Märkte und Diversifikation
Die Globalisierung der Finanzmärkte bedeutet, dass Ereignisse und Trends in einem Teil der Welt schnell globale Auswirkungen haben können. Während die „Sell in May“-Strategie auf den US-amerikanischen und europäischen Märkten untersucht wurde, können andere Märkte unterschiedliche saisonale Muster aufweisen. Eine gut diversifizierte Anlagestrategie, die verschiedene Anlageklassen und geografische Regionen umfasst, kann helfen, das Risiko zu mindern und die Abhängigkeit von einem einzigen saisonalen Trend zu reduzieren.
Langfristige Anlagestrategien
Für langfristige Anleger, die auf die Fundamentaldaten von Unternehmen und die langfristige Wirtschaftsentwicklung setzen, spielt die „Sell in May and go away“-Strategie eine geringere Rolle. Warren Buffett, einer der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten, hat oft betont, dass man in großartige Unternehmen investieren und diese langfristig halten sollte, anstatt zu versuchen, den Markt zu timen.
Fazit
Das Sprichwort „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ hat seinen Ursprung in historischen Handelspraktiken und wird durch einige statistische Daten unterstützt. Dennoch ist es wichtig, diese Strategie im Kontext der heutigen globalen und technologisch fortgeschrittenen Finanzmärkte kritisch zu hinterfragen.
Für kurzfristige Händler mag es von Interesse sein, saisonale Trends zu berücksichtigen, aber für langfristige Anleger ist eine gut diversifizierte und auf fundamentalen Daten basierende Anlagestrategie wahrscheinlich vorteilhafter.
Letztendlich bleibt die „Sell in May“-Strategie eine interessante Börsenweisheit, die einen Einblick in die historische Marktstimmung gibt, aber Anleger sollten stets eine umfassende Analyse und fundierte Entscheidungsfindung vorziehen. Die Finanzmärkte sind komplex und volatil, und eine erfolgreiche Anlagestrategie erfordert mehr als nur das Befolgen eines alten Sprichworts.
Foto von Jeff Griffith